Dienstag, 14. Oktober 2008

Masterstudiengang Public History: Powerpoint Profis oder Historiker mit Zukunftschancen?

Nachfolgende Analyse beschäftigt sich mit einem kritischen Zeitungsartikel von Kaspar Renner (erschienen in: Süddeutsche Zeitung Nr. 231, Powerpoint-Profis mit Kurzzeitgedächtnis, S. 16, 4./5. Oktober 2008) zum Masterstudiengang Public History, der seit dem Wintersemester 2008/09 an der Freien Universität Berlin, in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für zeithistorische Forschung Potsdam, abgehalten wird. Gegenstand des Studiums ist, laut Studienordnung (genauere Infos unter: http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/fmi/studium/masterstudium/public_history) eine konsekutive und stark anwendungsorientierte Auseinandersetzung mit dem Fach Geschichte, mit dem Ziel Experten für die „Aufbearbeitung und Vermittlung fachwissenschaftlicher Erkenntnisse in einem breiten öffentlichen Kontext“ auszubilden.
Laut Studienplan wird diese Fertigkeit in sieben Modulen erlernt. Diese beschäftigen sich mit Themen und Kontroversen historischer Probleme ab dem Ende des 18. Jahrhunderts, Vermittlung von „Geschichtskultur“ an Jung und Alt, Erlernen verschiedenster dazu benötigter EDV Anwendungen in Form von Text- und Bildbearbeitung, der Wirkung von Geschichte in den Medien und im weiteren auf die Öffentlichkeit, praktischer Arbeit u.a. in Museen, im Medienbereich oder in Unternehmen, sowie Erlernen von Öffentlichkeitsarbeit und Kulturmanagment.
Der Journalist Kaspar Renner kann in seinem Artikel dieser Art des Geschichtsstudiums nur wenig Gutes abgewinnen. Von ihm als besonders schlecht empfunden wird, das zu geringe Angebot von historischen Kursen, die sich mit Quellenkritik und Quellenanalyse auseinander setzen. Es würde folglich zu wenig fachliches Wissen an die Studenten vermittelt werden. Zusätzlich hebt er hervor, dass die historische Ausbildung sich vor allem auf verschiedenste „Historikerstreitereien“ bezieht, die Zeitgeschichte also als „Streitgeschichte“ präsentiert wird, um dadurch mehr Interesse in der Öffentlichkeit zu bewirken. Somit kommt er zur Schlussfolgerung, dass die Studienabgänger mehr von Powerpoint-Präsentationen und dem Verfassen von „Doku-Soaps“ mit historischem Hintergrund verstehen, als historisches Fachwissen zu besitzen.

Meiner Meinung nach stößt man hier auf eine große Grundproblematik der universitären Lehre von Geschichte. Einerseits sollen Studenten der Geschichte mit fundiertem Wissen ausgebildet werden, andererseits wollen junge Historiker nach dem Studium eine Arbeitsstelle in ihrem Studienbereich finden, wobei sich die Möglichkeit einer universitäre Karriere für die wenigsten bietet. Somit muss jeder, der mit seinem Beruf im Bereich der Geschichte bleiben will, sei es in Museen, als Journalist oder in anderen Unternehmen, ein wenig umdenken und das universitäre Fachwissen für ein breiteres Publikum zugänglich machen. Die Kritik von Kaspar Renner ist für mich vollkommen nachvollziehbar, jedoch greift das Studium "Public History" die Problematik der Berufsfindung für zukünftige Historiker auf und sollte deshalb nicht als Verkommerzialisierung der Geschichte angeshen werden. Renner lässt außer Acht, dass diesem Masterstudiengang ein Bachelor in Geschichte vorangestellt wird, und somit eine grundlegende historische Ausbildung als gegeben angenommen werden sollte, obwohl ich selbst zugeben muss, dass ich ein Bachelorstudium Geschichte auch als zu kurze historische Ausbildung empfinde. Jedoch bedeutet eine Ausrichtung von historischen Themen auf ein öffentliches, breiteres Publikum nicht automatische eine "Verwirtschaftung der Geschichtsforschung", denn mit Hilfe von gut geschulten Historikern kann eine korrekte und vielfältige Vermittlung durchaus stattfinden. An dem Masterstudiengang zu kritisieren ist meines Erachtens allerdings, dass zu viele Teilgebiete umfasst werden sollen. Medienanalysen, Marketingstrategien, Kulturvermittlung, Projektfinazierungen und Geschichtsforschung können sicher nicht innerhalb zweier Kurse oder Vorlesungen vermittelt werden. Auch in Betrieben werden ja diese Teilbereiche von vielen Mitarbeitern und nicht von einer Person bearbeitet. Folglich hätten die Studenten von allen Lernzielen eine oberflächliche Ahnung. Hinzu kommt, wie ich finde, dass einige Kurse Dinge behandeln, die Studenten der Geschichte während ihrer Ausbildung im Selbststudium erlernen, da sie ohne verschiedenster Präsentationsformen und Recherchearbeiten im Internet das Studium gar nicht mehr absolvieren können. Der Masterstudiengang wäre somit für mich als Lehrgang nach dem eigentlichen Studium sinnvoller und sollte sich zusätzlich auf ein kleineres "Lernfeld" spezialisieren. Ich selbst bin nach dem Studium der Alten Geschichte und Altertumskunde seit einem halben Jahr in einem Museum im Bereich Marketing und Kulturvermittlung tätig und habe davor viele Jahre Führungen mit verschiedensten Besuchergruppen gemacht. Einen Studienlehrgang "Public History" würde ich als berufsbegleitendes Studium mit vielen praktisch anzuwendenen Inhalten, als sinnvolle und zukunftsornientierte Weiterbildug für Historiker ansehen, die ihr eigentliches Geschichtsstudium abgeschlossen haben.

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