Dienstag, 25. November 2008

Buchrezension zu:

Uwe Schneider, Andreas Schumann (Hg.), Krieg der Geister, Erster Weltkrieg und literarische Moderne, Verlag Königshausen&Neumann GmbH, Würzburg 2000, 313 Seiten, 14 Kapitel (ohne Einführung und Register)

Meine ausgewählte Buchlektüre beschäftigt sich mit zahlreichen Literaten, die während des ersten Weltkrieges ihre Meinung zum Geschehen preis gegeben haben. Die Herausgeber Schneider und Schumann sammeln in Krieg der Geister Aufsätze verschiedenster Autoren, die wiederum verschiedenste Schriftsteller abhandeln. Das Buch folgt einem, nach den Geburtsjahren der Literaten aufgebauten Chronologie, wobei nur Autoren aufgenommen wurden, die zwischen 1862 und 1894 geboren wurden. Am Beginn steht Arthur Schnitzler (Aufsatz von Walter Müller-Seidl, Schnitzler erwähnt in seinem Werk den Krieg kaum und schweigt zu seiner eigenen Einstellung), gefolgt von Gerhart Hauptmann (Peter Spengler, Hauptmann mystifiziert den Krieg und handelt das Phänomen Krieg sehr symbolisch ab), Frank Wedekind (Uwe Schneider, der einen sehr satirische Sichtweise auf den Krieg einnimmt), Stefan Georg (Ralph-Rainer Wuthenow, der den Künstler in gewisser Führungs- und Sonderrolle sieht), den für meine Arbeit wichtigen Heinrich Mann (Klaus Schuhmacher, der „Fremde im eigenen Land“, der sich nicht mit dem Deutschland seiner Zeit vereinbaren kann, dem Krieg nichts positives abgewinnt, davor warnt und glaubt, dass die Deutschen nicht im Stande wären ihren alten adels-hörigen Ansichten abzuschwören), Hugo von Hofmannsthal (Andreas Schumann, der sehr propagandistisch über den Krieg schreibt), Rainer Maria Rilke (Anthony Stephens, mit apokalyptischen Visionen in seine Werken, allerdings Schweigen in der Öffentlichkeit), den für meine Arbeit ebenfalls wichtigen Thomas Mann (Jürgen Eder, der in der Vorkriegszeit in einer Lebenskrise steckt aus der ihn der erste Weltkrieg befreit, mit teilweise propagandistischen Ansätzen und positiver Einstellung zum Krieg, was auch einen großen “Bruderstreit“ mit Heinrich Mann auslöst), Rudolf Borchardt (Klaus Schuhmacher, der meint, dass Deutschland durch den Krieg zur Selbsterkenntnis gelangen würde), Hermann Hesse (Theodore Ziolkowski, gespalten durch Solidarität auf der einen und der qualvollen Realität des Krieges auf der anderen Seite), Robert Musil (Arno Russegger, der nur das Phänomen des Krieges beobachtet), Franz Kafka (Thomas Anz, der sich ebenfalls nicht direkt in das Geschehen einmischt, den Krieg aber als „größtes Theater der Welt“ bezeichnet), Stefan Zweig (Bettina Hey´l, der einerseits der öffentlichen Propaganda erliegt und nationalistischen Gedanken nicht abgeneigt ist, andererseits Friedfertigkeit gegenüber allen Menschen verspürt) und schlussendlich Oskar Maria Graf (Ulrich Dittmann, der radikal den Krieg verdammt).

Wie in der Einführung des Buches betont unterscheiden sich alle Literaten grundlegend in ihren Ansicht zum ersten Weltkrieg, haben jedoch gemeinsam, dass keiner von ihnen tatsächlich im Krieg gedient hat. Als Titel wurde „Krieg der Geister“ gewählt, der sich auf eine Anthologie Hermann Kellermanns bezieht. Darin findet sich eine Stellungnahme verschiedenster Intellektueller zum ersten Weltkrieg. Eupohrie und Huldigung beim Ausbruch des Krieges spiegeln die Hoffnungen wieder, den Krieg als Motor der Moderne anzusehen. Die Umbruchstimmung verdrängt den „Geistigen Stillstand“ der Vorkriegszeit. Ebenfalls wird gut herausgearbeitet, dass die meisten Schriftsteller den Krieg von eine sehe intellektuellen und künstlerischen Seite her betrachten, auf das eigentliche Kriegsgeschehen aber kaum eingehen.

Krieg der Welten gibt einen guten Überblick über die gängisten Ansichten zur Zeit des ersten Weltkrieges. Genau wie in der Einführung beschrieben, wird man durch zahlreiche Zitate der Literaten in eine Zeit versetzt, die einerseits von Angst und Warten, andererseits von Euphorie und Erneuerungswünschen geprägt war. Leider sind die Aufsätze alle von einem sehr literarischen Blickwinkel aus geschrieben, meiner Meinung nach, kommen die Biographie der einzelnen Schriftsteller zu kurz. In der Natur der Sache liegt auch, dass das eigentliche historische Geschehen und die tatsächliche Kriegssituation kaum geschildert werden, da auch die meisten Schriftsteller den Krieg aus einer intellektuellen Sicht vom Rande beobachtet haben, teils den Propagandamaßnahmen der Regierung Glauben schenkten (wie z.B. Thomas Mann) und teils auch verblendet von ihrem Wunsch nach Neuerungen, den eigentlichen Hintergrund und die Auswirkungen des Krieges auf die „normale“ Bevölkerung nicht wahrnahmen.

Krieg der Welten gibt somit, wie ich finde, einen guten Überblick über die Zerrissenheit der Menschen während des ersten Weltkrieges, ihren Wunsch nach Neuerungen, ihrer Ablehnung von Gewalt, die aber für etliche zur Erreichung höherer Ziele notwendig ist.

Negativ zu bemerken ist, dass das Buch am Ende keine Bibliographie besitzt, sondern die bibliographischen Vermerke nur in den einzelnen Kapiteln in Anmerkungen behandelt werden. Ebenfalls negativ zu bemerken ist, dass die Artikel teilweise schwer verständlich und kompliziert verfasst sind, was ein für „Nichtgermanisten“ flüssiges Lesen nicht möglich macht.

Für meine Arbeit konnte ich jedoch wichtige Hinweise, v.a. über den Bruderstreit und die Einstellungen der Brüder Mann zum ersten Weltkrieg in Erfahrung bringen.
Schmale - 26. Nov, 15:34

Schmale

Die Rezension ermöglicht einen guten Einblick in die Inhalte, die kritischen Anmerkungen sind gut nachvollziehbar! Sie sind übrigens bisher die einzige, die die Rezension zeitgerecht verfasst hat. Laut Zeitplan sollten Sie jetzt möglichst umgehend eine erste Fassung schreiben.

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